Hoffnung und Enttäuschung
von Olly
Hoffnung ist wie ein weicher Faden in unserer Brust, den wir als Kind schon fühlen.
Wir ziehen daran, weil wir denken: Dort vorne ist etwas Schönes, etwas Gutes, etwas Helles.
Wir folgen der Hoffnung — durch unsere Träume, unsere Wünsche, unsere Bilder vom Leben. Und sie trägt uns ein Stück weit, wie ein Ballon in warmer Luft.
Aber Hoffnung hat auch einen Schatten.
Sie zeigt uns nicht sofort, was sie verlangt. Sie macht still Verträge mit unserem Herzen. Wir merken nicht: Jede Hoffnung ist auch eine Erwartung, ein Bild davon, wie das Leben sein soll.
Und wenn das Leben anders kommt — dann tut es weh.
Nicht, weil das Leben böse ist, sondern weil es anders ist als unser Bild davon.
Enttäuschung ist nicht das Gegenteil von Hoffnung — sie ist ihr Echo. Ein leiser Klang nach einem Lied, das wir weiter hören wollten.
Oft denken wir, die Welt bricht unser Herz — aber eigentlich trauern wir um das Leben, wie wir es uns vorgestellt hatten.
Irgendwann wird Hoffnung schwer. Sie zieht uns nicht mehr hoch, sondern hängt wie ein Stein an unseren Füßen.
Weil es nicht mehr Hoffnung ist — sondern Festhalten. Eine Art Vertrag: „Wenn ich alles richtig mache, kommt das Gute.“
Und wenn es nicht kommt — rostet etwas in uns. Nicht, weil wir falsch gehofft haben, sondern weil wir zu fest gehofft haben.
Dann wird Enttäuschung wie eine zweite Haut. Unsere Stimme wird hart. Unsere Freude leiser. Wir misstrauen dem Glück, wir verlieren die Weichheit.
Aber vielleicht gibt es eine andere Hoffnung — eine, die leise geht, die bei uns bleibt, ohne uns zu ziehen.
Eine Hoffnung, die nicht verspricht, sondern begleitet. Die sagt: „Ich bleibe da, egal was passiert.“
Vielleicht geht es nicht darum, Hoffnung zu verlieren, sondern sie freizulassen.
Sie wie einen Vogel auf offener Hand zu halten — bereit zu bleiben oder zu fliegen.
Und vielleicht ist Enttäuschung kein Fehler, sondern ein neuer Weg.
Ein Zeichen, dass Schönheit auch im Stillen liegt. Im Warten. Im Weitermachen trotz allem.
Wir waren nicht falsch, weil wir gehofft haben.
Aber wir dürfen lernen, zu hoffen — ohne uns an der Hoffnung festzuketten.
Leicht zu gehen, auch nach schweren Tagen.